
von Dr. med. Konstantin Wagner
02.07.2024
Sternenkind-Eltern: Ihr seid nicht allein!
Laut Statistik kommen pro Jahr in Deutschland 110.000 Kinder nicht lebend auf die Welt oder versterben kurz nach ihrer Geburt. Diese Kinder werden Sternenkinder genannt. Da nicht alle Fehlgeburten von der Statistik erfasst werden und von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss, ist die tatsächliche Zahl sicher um einiges höher.
Eltern eines Sternenkindes wird man unvorbereitet und ungefragt. Es kann sein, dass zwischen der Diagnose und dem Abschied ein paar Tage liegen, manchmal aber geht es auch ganz schnell und es fehlt die Zeit, alles zu erfassen und zu begreifen.
Ich weiß, dass Sternenkinder noch immer ein großes Tabu-Thema sind und sich betroffene Eltern oft allein fühlen. Dafür haben wir unseren Kurs zur Hilfe von Sternenkind-Eltern mit wundervollen Akteuren ins Leben gerufen. Eine kleine Übersicht und Akuthilfe habe ich hier für dich zusammengestellt. Falls du betroffen bist, möchte ich dir mein aufrichtiges Mitgefühl aussprechen: Ich sehe dich - du bist nicht allein!
Was ist ein Sternenkind und eine stille Geburt?
Sternenkinder sind Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Die Begriffe Sternen(kind)eltern, Sternen(kind)mama und Sternen(kind)papa leiten sich daraus ab. Im Zusammenhang mit Sternenkindern wird auch der Begriff „stille Geburt“ genutzt, der sich aus dem englischen Begriff für eine Totgeburt „stillbirth“ ableitet.
Gesetzliche Definitionen
Rechtlich wird bei einem Sternenkind zwischen einer Fehlgeburt, einer Totgeburt und einer Lebendgeburt unterschieden. Die Definitionen sind relevant, wenn es um unterschiedliche Rechte und Ansprüche geht, die sich aus dem Todeszeitpunkt und den -umständen eines Sternenkindes ergeben.
Eine Lebendgeburt = ist ein Kind, das unabhängig von seinem Gewicht und seiner Schwangerschaftswoche (SSW) nach der Geburt einen Herzschlag, ein Pulsieren der Nabelschnur oder eine Lungenatmung zeigt.
Eine Totgeburt = ist ein Kind, das keines der oben genannten Lebenszeichen zeigt und ein Geburtsgewicht von mindestens 500 g aufweist. Ein Kind, das ab der 24. SSW tot geboren wird, ist unabhängig von seinem Gewicht ein Totgeborenes.
Eine Fehlgeburt = liegt vor, wenn ein Baby nach der Geburt unter 500 g wiegt und keine Lebenszeichen vorhanden sind.
Frühe Fehlgeburt: bis zur 12. SSW
Späte Fehlgeburt: ab der 12. SSW und bei einem Gewicht unter 500 g
Die rechtlichen (und medizinischen) Begrifflichkeiten werden von Sternenkind-Eltern oft als trocken und unsensibel wahrgenommen. Das kann ich gut nachvollziehen und in dem Wissen, dass Sprache ein mächtiges Instrument ist, kann ich nur dafür sensibilisieren, im Sprechen über Sternenkinder sensibel mit unseren Worten zu sein.
Wie geht es weiter?
Wie es weitergeht, hängt in jedem Fall von der individuellen Situation ab. Ein ausführliches Infoblatt für Eltern, die von einer frühen Fehlgeburt betroffen sind, habe ich für meine Praxis zusammengestellt und auf Gratis WiSSEN frei zugänglich gemacht. Ihr findet es in unserem Downloadbereich.
Weitere Tipps:
Grundsätzlich gilt wie eigentlich immer im Leben, es gibt kein richtiges und kein falsches Verhalten als Sternenkind-Eltern. Ihr dürft tun und lassen, was euch guttut. Ihr dürft die Dinge so entscheiden, wie sie sich für euch richtig anfühlen. Wenn ihr darüber sprechen wollt, dann sprecht darüber, wenn nicht, dann nicht. Ein paar kleine Tipps, die euch vielleicht helfen, manche Entscheidung zu treffen und manche Frage zu beantworten habe ich euch hier zusammengefasst:
Haltet Erinnerungen fest
Manchmal möchte man einfach nur vergessen und alles wegpacken, um nicht mehr daran erinnert zu werden. Und ja, das ist ok, genauso wie es in Ordnung ist, Erinnerungsstücke aufzuheben. Wir empfehlen euch, Erinnerungsstücke wie zum Beispiel ein Ultraschallbild, eine Aufzeichnung der Herztöne oder eine Fotografie eures Sternenkindes aufzubewahren. Wenn ihr sie nie wieder hervorholen wollt, dann macht ihr das. Wenn ihr aber irgendwann das Bedürfnis habt, eine Erinnerung zu haben und ihr habt in der akuten Situation alles weggegeben, dann kann das nicht mehr rückgängig gemacht werden. Deshalb empfehlen wir euch, zur Sicherheit etwas aufzubewahren.
Es gibt auch tolle Angebote wie Sternenkinderfotografen, die ehrenamtlich z. B. in die Klinik kommen und ohne Kosten für euch Bilder von eurem Sternenkind machen. (DEIN-STERNENKIND STIFTUNG - kostenlose Sternenkindfotografie)
Akute HilfeIhr seid auf der Suche nach akuter Hilfe, um mit der Situation umgehen zu können. Dann googelt am besten Sternenkinder und den Namen eurer Stadt. Es gibt mittlerweile viele regionale Sternenkinder-Vereine, die Trauerbegleitung, Selbsthilfegruppen und psychologische Unterstützung schnell und unbürokratisch anbieten. Sie kennen die regionalen Gegebenheiten und können euch weiterhelfen. Scheut euch niemals nach Hilfe zu fragen. Ihr müsst das nicht allein schaffen.
Hebammenbetreuung
Hebammen sind Expert*innen bei allen Fragen rund um eine Schwangerschaft und Geburt. Auch bei Sternenkindern ist die Hebamme eine der wichtigsten Ansprechpartner*innen.
Anzeige der Geburt beim Standesamt
Eltern von Sternenkindern können die Geburt ihres Kindes beim Standesamt anzeigen und ihrem Kind damit offiziell eine Existenz geben.
Kostenlose Hilfe durch unseren Online-Kurs:

Weitere, ausführlichere Informationen und Tipps findet ihr in unserem kostenlosen Online-Kurs: Hilfe für Sternenkind-Eltern.
Dieser Kurs richtet sich an trauernde Eltern, ...... die ihr Kind während der Schwangerschaft verloren haben.... deren Kind bei der Geburt verstorben ist.... deren Kind in den ersten Lebensmonaten zu den Sternen gegangen ist.
Sechs weitere Expert*innen und ich haben ehrenamtlich unser Wissen aus diesem Bereich gebündelt, um die akuten Fragen in dieser Situation umfassend beantworten zu können.
Weitere Links:
- Initiative bei glücklosen Schwangerschaften: initiative-regenbogen.de
- Online- und Vor-Ort-Betruung: caritas.de
- Beratung zu Schwangerschaft, Sexualität, Partnerschaft oder Eltern-sein: profamilia.de
- Bundesverband Kindstod in Schwangerschaft und nach Geburt e.V. mit regionalen Verzeichnis für Trauerbegleitung: bvksg.eu
- Informationen zur Eintragung des Kindes beim Standesamt von dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: bmfsfj.de
Dr. med. Konstantin Wagner
Hallo, ich heiße Konstantin und bin Facharzt für Gynäkologie und Geburtsmedizin. Nach meinem Medizinstudium in München habe ich von 2015 bis 2020 in einer maximalversorgenden Klinik in Kassel gearbeitet. Dort hatte ich es mit unzähligen spannenden Fällen zu tun, betreute hunderte Geburten und sammelte einen großen medizinischen Erfahrungsschatz. Seit 2020 widme ich mich der niedergelassenen Tätigkeit in meiner eigenen gynäkologischen Praxis in Kassel.
Im Kontakt mit meinen Patientinnen wurde mir bewusst, wie schwer es medizinischen Laien oft fällt, echte Fachinformationen von Mythen und Internet-Panikmache zu unterscheiden. Ich habe es mir daher zur Aufgabe gemacht, fundiertes Wissen zu meinen Fachgebieten zur Verfügung zu stellen – in verschiedensten Formaten sowie auf nachvollziehbare und kurzweilige Weise.