
von Dr. med. Konstantin Wagner
18.10.2024
Penis, Vulva & Co. – sagt man das so?
Geht es um Geschlechtsteile, steigt Erwachsenen oft umgehend die Schamesröte ins Gesicht. Pssst, darüber spricht man doch nicht! Ich als Experte empfehle es euch jedoch dringend! Denn nur durch einen positiven Umgang mit dem eigenen Körper kann ein intaktes Verhältnis zu ihm entstehen.
Warum ist der Diskurs über den Intimbereich ein solches Tabu?
Die Prägung im Kindesalter spielt neben der Genetik eine immense Rolle bei der Entwicklung von Körperscham. Werfen wir darauf einen genaueren Blick: Dass Kinder viel von ihren Eltern bzw. Bezugspersonen lernen, ist wohl kein Geheimnis. Herrscht im Familienalltag seitens der Erwachsenen nun eine große Unsicherheit in Bezug auf die Geschlechtsteile – werden etwa keine korrekten Begriffe, sondern abstrakte metaphorische Umschreibungen verwendet – so registriert ein Kind diese nicht nur, sondern überträgt sie (meist unterbewusst) in das eigene Denken und Handeln. Auf diese Weise erfolgt eine transgenerationale Weitergabe übersteigerter Schamgefühle. Ist es nicht unglaublich, dass dies sogar zur Folge haben kann, dass insbesondere Frauen die Anatomie und korrekte Bezeichnung ihrer eigenen Genitalien nicht bekannt ist? Hand aufs Herz: Wusstest DU (schon immer), dass Scheide de facto nicht die richtige Begrifflichkeit für das weibliche Geschlechtsteil ist?
Was ist frühkindliche Aufklärung?
Der Begriff der Aufklärung wird häufig mit einem allumfassenden, peinlichen Gespräch über Sex assoziiert. Aber Aufklärung ist nicht gleich Aufklärung! Es ist doch viel natürlicher, unseren Kindern ganz beiläufig altersgerechte Wissens-Happen mundgerecht zu servieren. Heißt im Klartext: Ein 1,5-jähriges Kind interessiert sich vermutlich erstmal nur für die Beschaffenheit des eigenen Körpers – vermitteln wir ihm also spielerisch die relevanten Begrifflichkeiten, geben wir ihm eine Gebrauchsanweisung in puncto Hygiene und betonen wir bei passenden Gelegenheiten, dass die Körpergrenzen jedes Menschen schützenswert sind. Denn – das wird leider oft vergessen – Aufklärung bedeutet nicht zuletzt auch Prävention sexualisierter Gewalt.
Im weiteren Verlauf wird das Kind auch die Körperteile des anderen Geschlechts spannend finden. Auch stellt es früher oder später vermutlich Fragen zur Fortpflanzung. Oft gibt es hierfür einen konkreten Auslöser wie z. B. eine Schwangerschaft innerhalb der Familie oder im näheren Umfeld. Wie kommt das Baby in den Bauch? Wie kommt es da wieder raus? Wichtig ist nun: So unangenehm es uns Eltern auch sein mag, wahrheitsgemäß auf die Fragen zu antworten, so wichtig ist es, dass wir dem Kind keine Mythen über den Klapperstorch auftischen. Fragen zu stellen, ist für Kinder ganz natürlich und enorm wichtig – und wer fragt, verdient korrekte Antworten. Gerne wohlportioniert: Du musst keine ausschweifende Rede halten. Richte dich nach deinem Kind und schau, welche Informationen ihm für den jeweiligen Augenblick ausreichen. Aber: Erzähle ihm die Wahrheit. Und nichts als die Wahrheit.
Wie gelingt die frühkindliche Aufklärung?
Es liegt in der Verantwortung von Eltern, sich der eigenen Unsicherheit zu stellen. Die Familie Weißbescheid kann hierbei als Türöffner fungieren – denn sie verpackt Aufklärung nicht nur in liebevoll illustrierte, sympathische Geschichten, sondern bietet auch Erklärvideos für Eltern, die Hintergrundwissen vermitteln, konkrete Formulierungen vorschlagen und die Angst vor dem Thema nehmen. An der Entwicklung von Band 1 (Expedition nach Genitalien: Körperwissen) und Band 2 (Auf Fruchthöhlenforschung: Konkrete Aufklärung) der Reihe war neben mir als Autor auch die ausgebildete Sexualpädagogin Mareike Brede beteiligt.
Mehr über die Buchreihe Familie Weißbescheid findest du hier.
Dr. med. Konstantin Wagner
Hallo, ich heiße Konstantin und bin Facharzt für Gynäkologie und Geburtsmedizin. Nach meinem Medizinstudium in München habe ich von 2015 bis 2020 in einer maximalversorgenden Klinik in Kassel gearbeitet. Dort hatte ich es mit unzähligen spannenden Fällen zu tun, betreute hunderte Geburten und sammelte einen großen medizinischen Erfahrungsschatz. Seit 2020 widme ich mich der niedergelassenen Tätigkeit in meiner eigenen gynäkologischen Praxis in Kassel.
Im Kontakt mit meinen Patientinnen wurde mir bewusst, wie schwer es medizinischen Laien oft fällt, echte Fachinformationen von Mythen und Internet-Panikmache zu unterscheiden. Ich habe es mir daher zur Aufgabe gemacht, fundiertes Wissen zu meinen Fachgebieten zur Verfügung zu stellen – in verschiedensten Formaten sowie auf nachvollziehbare und kurzweilige Weise.