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von Dr. med. Konstantin Wagner

23.10.2024

Heißhunger vor der Periode

Heißhunger („Cravings“), wenn die Periode (in der prämenstruellen Phase) ansteht, kennen viele Frauen, meist auf Süßes und Kohlenhydratreiches, wie Pommes, Burger und Pizza oder Eis, Kuchen und Schokolade. Du fühlst dich vielleicht wie von deinem Körper ferngesteuert und kannst das Verlangen nach süß, fettig oder salzig nicht unterdrücken.

Neben Stimmungsschwankungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Brustspannen gehört der Heißhunger zu den häufigsten typischen Symptomen vor der Menstruation.

Woher kommt das?

Wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt und erforscht, aber es gibt Ansätze und Theorien, die erklären, wie es zum Heißhunger vor der Periode kommt. Die prämenstruellen Veränderungen werden vor allem mit den hormonellen Veränderungen während des Zyklus in Zusammenhang gebracht.

Einfluss des Zyklus auf die Insulinsensitivität

Die Insulinsensitivität im Gehirn hat einen großen Einfluss auf den Stoffwechsel und das Essverhalten. Bei Frauen beeinflusst der Menstruationszyklus die Insulinsensitivität allerdings erheblich.

Das Gehirn von Frauen scheint in der 2. Zyklushälfte nur geringfügig auf Insulin zu reagieren. Die Insulinresistenz im Gehirn könnte zu Insulinresistenz im gesamten Körper beitragen

Einfluss von Östrogen und Progesteron

Erhöhter Kalorienbedarf „dank“ Progesteron, dem Gelbkörper- oder Schwangerschaftshormon (Lateinisch pro gestare). Das Hormon bereitet alles auf Schwangerschaft und Empfängnis vor, dafür werden Reserven angelegt: Großer Appetit auf Kohlenhydrate und Proteine.

Progesteron regt Studien zufolge die Ausschüttung von Ghrelin an, einem Hormon, das den Hunger erhöht. Zusätzlich verringern Östrogen und Progesteron die Freisetzung der Kohlenhydratspeicher in der Leber. Der Körper neigt dazu, seine Energiespeicher für eine potentielle Schwangerschaft zu konservieren. Parallel dazu beeinflussen die Hormone unsere Botenstoffe im Gehirn: nach dem Eisprung und in den Tagen vor der Periode sinken unsere Glückshormonspiegel von Dopamin und Serotonin. Die Folge sind schlechte Laune, Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen.

Der Körper steuert entgegen und versucht über Heißhunger und passende Gelüste zu erreichen, dass die nötigen Nährstoffe über die Nahrung aufgenommen werden.

Einfluss von Östrogen und Progesteron auf die beiden Enzyme COMT und MAO

Östrogen hat einen Einfluss auf COMT (= Catechol-O-Methyltransferase) und MAO (= Monoaminoxidase)

COMT und MAO sind Enzyme (= Scheren), die die aktivierenden Neurotransmitter (= Botenstoffe im Gehirn) Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin und Serotonin abbauen und haben so einen Einfluss auf Verhalten, Befinden und das Herz-Kreislauf-System.

Menschen haben unterschiedlich „aktive“ Varianten von COMT und MAO und Östrogen hemmt die Bildung der beiden Enzyme. Das bedeutet am Anfang des Zyklus, wo das Östrogen ansteigt, hemmt es die Bildung von COMT und MAO und steigert so indirekt die Neurotransmitter Noradrenalin, Adrenalin, Dopamin und Serotonin.

1. Zyklushälfte (= Östrogen-dominiert): „Glow“-Phase, du bist aktiver, sozial offener und glücklicher. Das ist wesentlich auf den erhöhten Dopamin-Spiegel zurückzuführen. „Glow“ macht auch evolutionsbiologisch Sinn, da 1. Zyklushälfte auf Befruchtung und Schwangerschaft ausgerichtet ist, Männer erleben höhere Anziehungskraft, Frauen Konkurrenzverhalten.

2. Zyklushälfte (= Progesteron-dominiert): Progesteron verhindert indirekt die hemmende Wirkung von Östrogen auf die Bildung von COMT und MAO. Daher: Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin und Serotonin werden vermehrt abgebaut (aktivierender Einfluss fehlt).

KOK („Pille“) simuliert 2. Zyklushälfte mit ihren entsprechenden Auswirkungen auf das Gemüt.

Was kannst du dagegen tun?

Erst einmal vorweg: Der Heißhunger vor der Periode ist völlig normal und natürlich! Viele Frauen kennen das Gefühl und gehen ganz individuell mit diesen Tagen um. Klar ist auch, dass wenn du ein krasses Verlangen auf ein bestimmtes Lebensmittel hast, der Tipp einen Schluck Wasser zu trinken, eher nur zum Lachen einlädt, statt eine richtige Hilfe zu sein. Viele Betroffene leiden aber sehr unter den Heißhungerattacken und wünschen sich Hilfe, daher kommt hier die Sammlung an Tipps:

  • Es kann helfen, den Heißhunger anzunehmen und sich den Hintergrund zu verdeutlichen. Auch in sich reinspüren und überlegen, was einen daran stört und wie man dem begegnen will, kann helfen, eine Strategie zu entwickeln, die zu einem selbst passt. Das kann ein ruhiger Abend mit leckerem und gesundem Essen sein oder ein Spaziergang, wenn der Heißhunger kommt.
  • Iss regelmäßig ausgewogene Mahlzeiten, um deinen Blutzuckerspiegel konstant zu halten. Achte auch auf ausreichend Proteine und Ballaststoffe, um unter anderem lange satt zu bleiben.
  • Trinke ausreichend Wasser und ungesüßten Tee.
  • Versuche auf gesunde Snacks zurückzugreifen, wie beispielsweise Obst, Nüsse, Reiswaffeln, Trockenfrüchte und ungesüßter Joghurt. Sich bereits gesunde Alternativen vorzubereiten, auf die du bei Heißhunger zurück greifen kannst, kann helfen.
  • Verzichte lieber auf stark gesüßte Getränke, Chips, Süßigkeiten oder Schokoriegel. Sie treiben den Blutzuckerspiegel in die Höhe. Sinkt der dann wieder schnell ab, kommt der Heißhunger oft viel zu schnell wieder zurück.
  • Zähne putzen oder ein Zahnpflegekaugummi kann helfen, den Heißhunger auszutricksen. 
  • Auch 2 Gläser Wasser trinken, kann helfen.
  • Greife bei Schokolade auf eine mit mind. 70, besser 80-85 % Kakaoanteil zurück.
  • Versuche deine Hormone durch Aktivitäten zu beeinflussen, bei denen Glückshormone ausgeschüttet werden wie beispielsweise eine intensive Sporteinheit, Sex mit der Partner*in oder ein Abend mit Freunden.
  • Probiere eine zyklusbasierte Ernährung und zyklusbasiertes Training aus.
  • Sorge für ausreichend Schlaf und (Alltags-)Bewegung.
Quellen


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Dr. med. Konstantin Wagner

Hallo, ich heiße Konstantin und bin Facharzt für Gynäkologie und Geburtsmedizin. Nach meinem Medizinstudium in München habe ich von 2015 bis 2020 in einer maximalversorgenden Klinik in Kassel gearbeitet. Dort hatte ich es mit unzähligen spannenden Fällen zu tun, betreute hunderte Geburten und sammelte einen großen medizinischen Erfahrungsschatz. Seit 2020 widme ich mich der niedergelassenen Tätigkeit in meiner eigenen gynäkologischen Praxis in Kassel.

Im Kon­takt mit mei­nen Pa­ti­en­tin­nen wur­de mir be­wusst, wie schwer es me­di­zi­ni­schen Lai­en oft fällt, ech­te Fach­in­for­ma­tio­nen von My­then und In­ter­net-Pa­nik­ma­che zu un­ter­schei­den. Ich habe es mir da­her zur Auf­ga­be ge­macht, fun­dier­tes Wis­sen zu mei­nen Fach­ge­bie­ten zur Ver­fü­gung zu stel­len – in ver­schie­dens­ten For­ma­ten so­wie auf nach­voll­zieh­ba­re und kurz­wei­li­ge Wei­se.